16. August 2014

Kluge Schöne (Woher kommen wir?)


Am Bahnhof sah ich sie missionieren

Jung, höchstens achtundzwanzig, ihr
langes Haar in einem Zopf gehalten,
aufmerksame Augen hell, ein
voller abwartender Mund.

Ein Hals wie eine Harfenseite.
Ein Po, den kein Fasten je verdarb.
Entschlossene Frauenhände, vorerst zum
Schweigen in die Hüfte gestemmt.

So stand sie den Atheisten im Weg, den
armseligen Atheisten, die nichts hatten als
den alten Darwin und eine Physik, die nach
kleinsten Teilchen suchte,
und war

dennoch ihr eigener Gegenbeweis: Für diese
Anmut in Leib und Wesen hat Adams verkeimte
Pestrippe nie und nimmer gereicht.

Gedicht: Udo Tiffert
 

Illustration zu dem Gedicht "Kluge Schöne" von Udo Tiffert. 
Erschienen in der TAZ am Donnerstag, 14. August 2014
Rubrik: Wahrheit
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